Das Oderbruch – Menschen machen Landschaft
Das Oderbruch erhält 2022 als erste Kulturlandschaft das Europäische Kulturerbe-Siegel. Mit dem Siegel wird die Landschaft als kulturelles Erbe ausgezeichnet, weil die Ideale und die Geschichte der EU hier in besonderer Weise symbolisiert werden.

Unter dem Titel „Das Oderbruch – Menschen machen Landschaft“ präsentiert sich die Kulturlandschaft als prägnantes Beispiel für die anthropogene Formung von Landschaften in der europäischen Geschichte. Als klar abgrenzbarer und größter besiedelter Flusspolder Europas verfügt es über ein raumübergreifendes Wassersystem, eine sogenannte Landschaftsmaschine, die technische Elemente aus mehr als 250 Jahren in einer Ausdehnung von fast 1.000 Quadratkilometern integriert. Die Siedlungsgeschichte des Oderbruchs hat sich in einer außergewöhnlich hohen Dichte an Baudenkmalen niedergeschlagen und ist in Form von Fischerdörfern, Kolonistendörfern und Loosegehöften bis heute für Besucher sehr gut ablesbar. Im Selbstverständnis freier, ihre Existenz selbst verantwortender Bauern, prägen die Kolonisten auch in der Gegenwart eine ländliche Demokratie, die sich durch eine hohe kulturelle und kommunalpolitische Vitalität auszeichnet. Seit der Preußischen Binnenkolonisation des 18. Jahrhunderts ist die Bevölkerung des Oderbruchs bis heute immer wieder durch Zuwanderung bereichert worden.

Das Oderbruch steht somit exemplarisch für die Zukunft des ländlichen Raums in Europa. In historischer Perspektive verdankt sich die Kulturlandschaft zudem dem avanciertesten ingenieurtechnischen Wissen Europas im 18. Jahrhundert. Sie steht für eine Naturaneignung in großem Maßstab, mühsam, aber doch nachhaltig, denn ihr Wassersystem wurde von zehn Generationen über Systembrüche und Kriege hinweg stetig optimiert und umweltverträglicher gestaltet. Durch die Einwanderung aus vielen Teilen Europas ist das Oderbruch heute ein besonders vielfältiger ländlicher Raum: ein Klein- Europa.
Die komplette Bewerbung auf das Europäisches Kulturerbe-Siegel finden Sie in unserer Download Bibliothek.

Europäische Bedeutung
Die EU verleiht das Kulturerbe–Siegel auf unbestimmte Zeit. Alle vier Jahre durchlaufen die 67 Stätten aus 22 Ländern ein umfangreiches Monitoring, das die Aktivitäten jeder einzelnen Stätte überprüft, wie das kulturelle Erbe und europäische Geschichte vermittelt wird.
Der aktuelle Report 2024 wird das Oderbruch weiterhin als kulturell reiche Landschaft mit einer hohen Konzentration von Baudenkmälern anerkannt, die sich in einem ständigen Wandel befindet. Gewürdigt werden die vielfältigen Zugänge, die es Besuchern und Bewohnern heute ermöglichen, den Landschaftsraum Oderbruch zu erleben: Ausstellungen, Kunst-, Musik- und Theaterprojekte, Debattenformate und Bildungsprojekte schaffen vielfältige Erzählformate, in denen der Landschaftsraum heute thematisiert wird.
Besonders hervorgehoben wird im Report, die in der Region geschaffene Markenidentität. Gemeinsame Feste, Broschüren, Ausstellungen und Veranstaltungen greifen das Siegel als Prädikat für die Region auf und mehr als 40 Kulturerbe-Orte bewerben heute gemeinsam ihre Angebote und Veranstaltungen auf der Website kulturerbe-oderbruch.de.
Der gesamte Report ist hier veröffentlicht worden.
Europäische Projekte
Mehr als 60 Stätten in ganz Europa tragen das Europäischen Kulturerbe-Siegel. Wir stehen mit verschiedenen anderen Stätten im Austausch, um die europäische Geschichte gemeinsam zu erzählen.
Aktuell läuft ein Projekt zusammen mit den „Colonies de Benevolance“ in den Niederlanden und Belgien.



Colonies de Benevolance
Napoleon hatte die Niederlande im Jahr 1818 als „Königreich der Armen“ hinterlassen. Um die gravierende Armut im Land zu bekämpfen, hatte der General Johannes van den Bosch einen ehrgeizigen Plan entwickelt und gründete sieben Kolonien in den Niederlanden und Belgien. Auf diese Weise wurden allein zwischen 1818 und 1921 etwa 80.000 Menschen in den nördlichen Teil der Niederlande umgesiedelt.
Das Vorhaben war ein Experiment einer Sozialreform, die aus heutiger Sicht einen Vorläufer eines Sozialstaates bildet, der dem Rest des Landes zwar 80 Jahre voraus war, doch zugleich an vielschichtige Grenzen des gesellschaftlichen Zusammenlebens gestoßen ist.
Bis heute lassen sich in der Landschaft zahlreiche Spuren aus dieser Zeit erkennen. Koloniehäuser, Kirchen, eine Korbfabrik bis hin zur Forstschule und Gartenbauschule sind aus dieser Zeit für Besucher heute geöffnet. Im Museum De Proefkolonie in Frederiksoord (NL) werden eindrücklich die persönlichen Schicksale betroffener Menschen erzählt.
Im Oderbruch sowie in den Kolonien der Wohltätigkeit sind bis heute Spuren der besonderen regionalen Geschichte sichtbar. In Projekt „LIVING LEGACIES“ (Lebendiges Vermächtnis) gehen wir diesen Besonderheiten beider Stätten nach, die bis heute das Wirtschaften und das ländliche Leben prägen. In kleinen Videoclips tauschen wir uns mit der Partnerstätte über die zentralen Elemente beider Stätten aus: Boden, Wasser, Häuser, Siedlungen, Menschen und Landschaft.
Die ersten Clips werden Ende des Jahres fertig sein.

